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31.03.2021

OFFENER BRIEF wegen der drohenden Schließung des Schaeffler-Werks Luckenwalde

von Luckenwalder Kommunalpolitikern an den Vorstandsvorsitzenden der Schaeffler AG in Herzogenaurach

In einem offenen Brief mit Datum vom 22. März 2021 wandte sich Frank Hildebrandt, Betriebsratsvorsitzender des Schaeffler-Werks in Luckenwalde, an die Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie Kommunalpolitiker im Land Brandenburg. Der Brief erreichte auch die Bürgermeisterin und die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung Luckenwalde. Darin bittet er um Unterstützung für den Erhalt des über 30-jährigen Industriestandort des Werkes in Luckenwalde. Anfang September 2020 hatte der Vorstand der Schaeffler AG Stellenabbau, Produktionsverlagerungen sowie die Schließung bzw. den Verkauf des Restwerkes des Standorts Luckenwalde angekündigt. Diese Ankündigungen sollen jetzt im Verlauf des Jahres 2021 umgesetzt werden. Betriebsratsvorsitzender Hildebrandt schreibt: „Sie wissen, dass sich unser Werk seit Jahrzehnten durch eine flexible Belegschaft mit hohem Facharbeiteranteil auszeichnet und gerade auch wir an der dynamischen Entwicklung der Automobilregion Brandenburg teilhaben wollen. Wir haben das Können, uns auch im Hinblick auf neue Antriebstechnologien erfolgreich, zu engagieren. Dazu ist aber der Erhalt unseres gesamten Werkes mit allen derzeit vorhandenen Technologien und natürlich auch Mitarbeitern eine wesentliche Voraussetzung.“

In einem OFFENEN BRIEF wegen der drohenden Schließung des Schaeffler-Werks Luckenwalde wandten sich untenstehende Unterzeichner an den Vorstandsvorsitzenden der Schaeffler AG, Klaus Rosenfeld, in Herzogenaurach:

30. März 2021

„Sehr geehrter Herr Rosenfeld,

uns als Stadtverordnete der Stadt Luckenwalde und als Bürgermeisterin treibt die Sorge um das Schaeffler-Werk in unserer Stadt und die Zukunft seiner 400 Beschäftigten um. Es ist der größte produzierende Betrieb in Luckenwalde.

Am 7. November 2019 besuchte Herr Schaeffler als Aufsichtsratsvorsitzender das Luckenwalder Werk. Vor dem Hintergrund von 30 Jahre deutscher Einheit wurde „35 Jahre Schaeffler-Produktion in Luckenwalde“ gefeiert. Selbstbewusst und optimistisch wurde eine gesamtdeutsche Erfolgsgeschichte erzählt.

Herr Schaeffler hob in seiner bewegenden Rede die verlässliche Qualität der Produktion und Produkte mit geringen Fertigungstoleranzen hervor wie auch die hohe Motivation der Luckenwalder Belegschaft. Er äußerte auch den Stolz auf die Gewinner des Schaeffler-eigenen Innovationspreises. Denn diese stammten aus dem Luckenwalder Werk, was für dessen Fähigkeit steht, hervorragende Fachkräfte auszubilden. 

Wir haben wahrgenommen, dass die von Herrn Schaeffler geäußerte Wertschätzung keine Einbahnstraße war und ist, denn auch die Identifikation der Beschäftigten mit „ihrem“ Schaeffler-Werk war spürbar und drückte sich nicht nur in grünen Socken aus.

Dass sich die Konzernleitung nur zehn Monate später des Werkes entledigen will, passt für mich nicht ins Bild. Teile des Werks auszulagern und „für den Rest kann sich ja irgendein Käufer finden“, stellt sich uns als „Tod auf Raten“ dar. 

Eine Woche nach Verkündung des Stellenabbaus von 4.400 Arbeitsplätzen wurde in Ihrem Haus grünes Licht für die Schaffung eines Finanzrahmens von bis zu einer Milliarde EUR gegeben, „um Chancen auf Übernahmen auch in der Coronakrise nicht verstreichen lassen zu müssen“. Sie, sehr geehrter Herr Rosenfeld wurden damit zitiert, dass freiwerdende Kapazitäten in Zukunftsfelder wie Elektromobilität und Wasserstoff investiert würden.

Warum hat man sich nicht schon längst auf den Weg gemacht, um hier in Luckenwalde in diese Zukunftsfelder zu investieren und das Werk innovativ und produktiv daraufhin auszurichten? Seit November 2019 wissen wir, dass sich Brandenburg mit der geplanten Tesla-Gigafabrik in Grünheide bei Berlin zu einem führenden Produktionsstandort der Elektromobilität entwickeln wird. Dass das keine vage Zukunftsvision ist, macht sich am Baufortschritt deutlich. Die TESLA-Werkshallen stehen kurz vor ihrer Fertigstellung.  Was liegt da näher, als den einzigen Schaeffler-Standort in Brandenburg, nur eine Stunde Fahrzeit entfernt, als Zulieferer für Elektromobilität fit zu machen. Das mag ein steiniger Weg sein, aber nicht unmöglich für einen Konzern wie Schaeffler, der sich auf seiner Homepage seiner Innovationskraft rühmt und seine Mitarbeiter als Motoren seines Erfolgs ansieht.

Wir bitten Sie, den auf Abbau und Schließung ausgerichteten Plänen für Ihr Werk in Luckenwalde eine Wendung zu geben und sich stattdessen hier in Luckenwalde mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihr Engagement und ihre Fähigkeiten bewiesen haben, weiterzuentwickeln und für die Zukunft des Automobils fit zu machen.

Die derzeitige unerwartet hohe Auslastung des Werkes und die dadurch ausgedrückte Nachfrage nach Komponenten des Verbrenners machen deutlich, dass es keinen Sachzwang gibt, das Werk zu schrumpfen und sich schnell davon zu trennen. Es verbleibt noch eine Übergangszeit, in der mit dem Luckenwalder Schaeffler-Werk sehr wahrscheinlich Geld verdient werden kann. Es gilt, diese Frist klug zu nutzen, um es als Bestandteil Ihres Unternehmens zukunftsfest zu machen. Bitte werden Sie dieser unternehmerischen Verantwortung für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gerecht. 

Freundliche Grüße

Jochen Neumann
Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung

Elisabeth Herzog-von der Heide   
Bürgermeisterin

Harald-Albert Swik
Vorsitzender der SPD-Fraktion                                 

Erik Scheidler
Vorsitzender der Fraktion Die LINKE/BV

Nadine Walbrach
Vorsitzende der CDU/FWL/FDP-Fraktion               

Dr. Anja Jürgen
Vorsitzende der LÖS-Fraktion“        

Seite drucken | Autor: Britta Jähner | zuletzt geändert am: 31.03.2021