2022 - Familie Guttfeld, Grünstraße 25

Verlegung am 9. November 2022

Herr Kurt Guttfeld, Jahrgang 1907, Schutzhaft 1938 Sachsenhausen, Flucht 1939 England

Frau Else Guttfeld, geborene Haas, Jahrgang 1906, Flucht 1939 England

Frau Regina Guttfeld, Jahrgang 1939, Flucht 1939 England

Kurt Guttfeld wurde 1907 in Luckenwalde als jüngstes von drei Kindern des jüdischen Ehepaares Max und Louise Guttfeld geboren. Drei Wochen nach Kurts Geburt starb die Mutter der drei Geschwister am Kindbettfieber; sie war erst 36 Jahre alt. 1909 heiratete der Vater wieder. Die zweite Frau, Hedwig, starb 1921, zwei Wochen vor Kurts 14. Geburtstag. Der Vater hat nach einem Trauerjahr ein drittes Mal geheiratet. Kurt Guttfeld erlernte den Beruf eines Elektromonteurs. Sein Arbeitgeber war die Firma Gebr. Bartzik in der Triftstraße. Dort wurden Kunststoff-Spritzautomaten hergestellt. Im März 1933 war die Familie – die Eltern, die drei nun erwachsenen Kinder Hilde, Heinz und Kurt mit ihrem Partner bzw. ihren Partnerinnen und die Stiefschwester Ilse – zum letzten Mal in Luckenwalde zusammen. Wenig später sind alle bis auf zwei nach Palästina ausgewandert. In Luckenwalde zurück blieben Kurt und seine Verlobte Else.

Im September 1934 heirateten Kurt Guttfeld und Else Haas. Sie entstammte einer nichtjüdischen Familie. Vier Jahre nach der Hochzeit erwartete das Ehepaar Guttfeld ein Kind. Als im November 1938 der deutschlandweite Pogrom angezettelt wurde, war Else Guttfeld im zweiten Monat schwanger. Kurt Guttfeld hat in mehreren Briefen aus eigenem Erleben von der Verhaftung und Drangsalierung der jüdischen Männer berichtet. Er wurde am 11. November auf der Arbeit von der Gestapo festgenommen und zunächst in eine Polizeizelle des Rathauses gebracht. Nach einigen Tagen wurden er und die anderen Inhaftierten zur Gestapo nach Potsdam und von dort ins Konzentrationslager Sachsenhausen gefahren. Schon das Lagertor mit der Aufschrift ‚Arbeit macht frei‘ ließ nichts Gutes erahnen. „Alles musste im Laufschritt gemacht werden. Zu einer Auskleidebaracke, dann zum Doktor, zum Kahlscheren des Kopfes, danach zum Ankleiden in eine alte Eisenbahneruniform und zur Registrierung. Meine Nummer war 13 143. Zuletzt kamen wir in eine Baracke, wo ungefähr 300 von uns wie Sardinen auf ein Strohlager reingezählt wurden. In den folgenden Tagen lernten wir viel, hauptsächlich wie man im KZ überleben kann. Man darf nie die Aufmerksamkeit verlieren und nie auffallen. Da ich weder fett noch dünn, weder zu groß noch zu klein war, war es nicht zu schwer in der Masse zu verschwinden. Es folgten drei Monate von Hunger, Kälte, schwerer Arbeit und grausamer Behandlung... 
Die Mehrzahl der Häftlinge arbeitete in einem Klinkerwerk, einer großen Baustelle an einem Kanal und einem im Bau befindlichen Hafen. Wenn keine Kähne zu entladen waren und es weder Zement, Sand oder Steine zu tragen gab, wurden wir als ‚laufendes Band‘ beschäftigt. Mit unseren Jacken nach hinten zugeknöpft, formierten wir uns zu einem Karussell, erhielten eine Schaufel Sand in den Jackenschoß und entleerten den Schoß am anderen Ende. Wenn es dem wachhabenden SS-Mann zu langweilig wurde, nahm er die Schaufel und warf uns den Sand ins Gesicht.
Diese Ereignisse sind nur einige Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen.“

Wer aus Sachsenhausen entlassen wurde, musste Deutschland so schnell wie möglich verlassen. Glücklicherweise bekam Kurt Guttfeld einen Platz in einem englischen Flüchtlingslager und reiste am 11. April 1939 aus. Die Aufregungen bewirkten bei Else Guttfeld eine Frühgeburt. Mit ihrem acht Wochen kleinen Kind konnte sie dann ihrem Mann folgen und ebenfalls nach England auswandern. Kurt Guttfeld resümiert: „Es ist erstaunlich, wie viele Gesichter der Vergangenheit zurückkommen, wenn man in seiner Muttersprache denkt. Wie tief der Antisemitismus auch in unserer Stadt eingegraben war und nur auf einen Hitler gewartet hat, zum Ausbruch zu kommen.“ 

Quelle: Pfarrer Detlev Riemer a. D. 
Seite drucken | zuletzt geändert am: 19.11.2024