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Feierstunde anlässlich der Instandsetzung des Jüdischen Friedhofes Luckenwalde am 21. September 2006 - 28. Elul 5766

Mit dieser Feierstunde findet die Instandsetzung des während der NS-Zeit geschändeten Jüdischen Friedhofs unserer Stadt an der Straße „Grüner Weg“ seinen würdigen Abschluss. Die Instandsetzung wurde in enger Abstimmung mit dem Landesrabbinat Brandenburg und dem Zentralrat der Juden in Deutschland, entsprechend jüdischem Religionsgesetz unternommen. Dabei erhielt er wieder eine Umfriedung und die Namen der Bestatteten wurden – da keine Grabsteine mehr vorhanden sind – auf einer neu geschaffenen Namenstafel verzeichnet. Gleichzeitig konnten die Grundmauern des zerstörten Friedhofgebäudes freigelegt und wieder sichtbar gemacht werden. Auch erfolgte der Einbau eines Fußbodens. Das Areal wurde beräumt und überwiegend als Rasenfläche gestaltet. Die vorhandene Feldsteingruppe wurde wiedererrichtet. Die Feierstunde wurde mit dem Gebet Schuwi nafschi von Oberkantor Isaak Sheffer, Jüdische Gemeinde zu Berlin, eröffnet. Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide ging in ihrer Ansprache auf die Bedeutung dieses Ortes ein. Dabei hob sie hervor, „dieser Platz ist keine Holocaust-Gedenkstätte. Dieser Platz ist auch keine ehemalige jüdische Bestattungsstätte, sondern dieser Platz ist nach wie vor der Jüdische Friedhof Luckenwaldes.“

„Auf den ersten Blick scheint es, als wäre das Anliegen der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Vollstrecker am Orte aufgegangen: Nicht nur die Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens ist vollzogen, sondern beinahe auch die Tilgung aus dem kollektiven Gedächtnis, welche Anteile jüdische Bürger an der Entwicklung dieser Stadt haben.“ Das politische System der DDR zeigte wenig Interesse am Gedenken an den Anteil der jüdischen Mitbürger an der Geschichte Luckenwaldes und auch im Stadtbild gibt es kaum noch Anhaltspunkte für dieses Wirken.

Aber an vielen Beispielen und Aktivitäten wird die „enge Verflechtung zwischen Pelikan und Davidstern“ deutlich:

  • Pfarrer Detlev Riemer spürte Spuren jüdischer Bürger Luckenwaldes auf
  • „Wiederentdeckung“ der Hachscharah im nahen Ahrensdorf durch Dr. Herbert Fiedler und seine Frau Ruth
  • Würdigung des Wirkens der Luckenwalder Widerstandsgruppe „Gesellschaft für Frieden und Aufbau“
  • Ernennung Prof. Dr. Hans Freudenthals zum Ehrenbürger
  • Anbringen einer Erinnerungsplakette an seinem Geburtshaus, der ehemaligen jüdischen Synagoge
  • die lebendigen Schilderungen seiner Lebensgeschichte von Werner Goldstein
  • neu gestaltete Ausstellung im Heimatmuseum würdigt auch Leistungen der jüdischen Mitbürger
  • Gestaltung einer Anne - Frank - Ausstellung durch Schüler des Gymnasiums
  • Richtfest und Wiederherstellung der ehemaligen „Mendelsohnhalle“

Sie dankte neben den genannten weiteren Sponsoren für ihre Muskel-, Geistes- und Finanzkraft: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK), Kulturstiftung Teltow-Fläming der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam, dem Südbrandenburgischen Abfallzweckverband, der Firmengruppe Rose aus Luckenwalde und dem Verein Luckenwalder Heimatfreunde e. V.

„An dieser Aufzählung können Sie ermessen, dass das Anliegen der Aufwertung dieser Stätte von vielen Menschen unterstützt worden ist. Mir gefällt, dass seine Fertigstellung durch eine Feierstunde gewürdigt wird, in der nicht über jüdischen Glauben philosophiert wird, sondern in der jüdischer Glaube praktiziert wird. Dadurch wird deutlich, dass mit der Zerschlagung der jüdischen Gemeinde vor 68 Jahren nicht das letzte Wort gesprochen wurde. Es wird aber auch deutlich, dass dieser Friedhof nicht ein Relikt der Geschichte ist, sondern ein sehr gegenständlicher Teil der real existierenden Gegenwart der Stadt Luckenwalde.

Dr. Peter Fischer vom Zentralrat der Juden in Deutschland war „dankbar für den Weg der zur Wiedererrichtung geführt hat. Die Leere (des Friedhofes) ist bewusst sichtbar, aber die (zahlreiche) Anwesenheit beweist etwas anderes“ Er ging auf die Problematik Juden, Judentum, Friedhof in ihren vielen Facetten im Sinne eines Frage stellens ein, „viele Fragen stellen sich immer wieder. An jedem Ort in Deutschland kann man sich (diesen) Fragen nicht entziehen. Sie sind Ausdruck einer Anforderung: „Suche den Frieden und jage ihm nach (Buch Hiob)“.

Herr Hajo Cornel, Abteilungsleiter Kultur im MWFK, würdigte die zentrale Bedeutung dieser Stätte: „Wir sind heute hier zusammengekommen, um derer zu gedenken, die auf diesem Friedhof begraben sind. Wir tun es in dem Bewusstsein, dass nahezu 70 Jahre vergangen sind, seit Bürger jüdischen Glaubens hier in Luckenwalde gelebt und gearbeitet haben. Sie haben die Geschicke der Stadt mitgeprägt. Aber mit dem Beginn der Naziherrschaft wurden sie systematisch vertrieben – manche ins Exil, die meisten in den Tod in den Gaskammern.
Das einzige, das von ihnen blieb, ist dieser Gedenkstein, dieses Gräberfeld. Beides ruft uns die Namen der Verstorbenen in Erinnerung. Beides entreißt sie dem Vergessen und gibt den Nachgeborenen die Chance, uns ihrer Namen und Schicksale zu erinnern.“Dr. Joachim G. Jacobs, Landschaftsarchitekt Berlin schilderte die Entwicklung der Instandsetzung des jüdischen Friedhofes – dem „Haus des Lebens“ oder „Der gute Ort“.Wieder sichtbar geworden sind die Fundamente des Friedhofsgebäudes, des wichtigsten Bau’s neben der Synagoge. Vorgesehen ist die teilweise Errichtung der Friedhofsmauer.„Wichtiger als das Haus des Lebens sind lebende Häuser“, denn deren Bewohner tragen das Erinnern. Ihren feierlichen Abschluss fand diese würdige und dem Anlass gerecht werdende Feierstunde mit den Gebeten El male rachamim und Kaddisch.

Bilder von der Feierstunde

22.09.2006 
Seite drucken | Autor: Claus Mauersberger | zuletzt geändert am: 24.08.2022