Grußwort der Bürgermeisterin zur Ausstellungseröffnung am 12. Oktober 2024
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Dieser Text stammt von Martin Niemöller, der als sogenannter „persönlicher Gefangener“ Adolf Hitlers in den KZs Sachsenhausen und Dachau eingesperrt war.
Auch als die Nazis die Juden demütigten, entrechteten, abholten und ermordeten, haben Millionen Menschen geschwiegen. Manche haben auch mitgemacht beim Denunzieren, quälen und drangsalieren und haben sich selbst etwas einfallen lassen, um ihnen die Hölle auf Erden zu bereiten. Und nicht wenige haben sich an dem bereichert, was den jüdischen Nachbarn, Arbeitskollegen, Geschäftspartnern und Mitschülern weggenommen wurde - auch hier in Luckenwalde.
Und dann gab es noch die wenigen, die nicht weggeguckt und geschwiegen haben, sondern die sich unter Lebensgefahr den Nazi-Gesetzen, den in Paragraphen gegossenen Verbrechen, widersetzten und Mitmenschlichkeit bewiesen. Diese Lichtblicke in dunkler Zeit hat es auch in Luckenwalde gegeben.
Einer davon ist die Widerstandsgruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“, 1943 gegründet und 1944 aufgeflogen. Eine kleine Runde, bestehend aus Doris Ullrich, Hartmut Reck, Detlev Riemer, Heike Rosendahl und mir hatte sich vorgenommen, in diesem Jahr - 80 Jahre nach der Zerschlagung der Gruppe - an die Menschen zu erinnern, die diesen Lichtblick in unserer Stadtgeschichte bewirkt hatten.
Erinnerungskultur ist definiert als das gemeinschaftliche Wissen einer Gesellschaft über ihre Vergangenheit. Wir haben uns gefragt: „Gibt es überhaupt vorhandenes Wissen im kollektiven Gedächtnis der Luckenwalderinnen und Luckenwalder über die Widerstandsgruppe in ihrer Stadt?“ Unsere Einschätzung war ein ernüchterndes „Wohl eher nicht.“ Deshalb haben wir uns erst einmal darauf ausgerichtet, dieses Wissen zu schaffen.
Gestatten Sie mir kurz, Ihnen etwas über unsere Herangehensweise zu erzählen. Zwei in unserer Runde erinnerten sich an die ORB-Filmdokumentation „Fluchtpunkt Luckenwalde“, die 1998 ausgestrahlt wurde und an deren Filmautor Rolf Hosfeld. Eine Kopie des Films wurde beschafft und dann gemeinsam angeschaut. Unisono schätzten wir ein, anschaulicher und verständlicher kann man die Geschichte der Widerständler auch heute nicht erzählen.
Vier aus unserer Runde hatten das Glück, zwei aktive Mitglieder, nämlich Günther Naumann und Eugen Herman-Friede noch persönlich kennenlernen zu dürfen. Beide verstarben vor sechs Jahren, aber in unserer Gruppe bestanden auch Verbindungen zu ihren Verwandten. Mir ist es eine besondere Freude, aufgrund dieser Kontakte heute Abend die Nichte Günther Naumanns, Eva Scheer und den Sohn Eugen Herman-Friedes, Axel Herman-Friede in unserem Kreis begrüßen zu dürfen.
Als ihre Interviewpartner konnten wir zwei Menschen der jüngeren Generation gewinnen, nämlich den Sozialarbeiter Erik Czaika und die Historikerin Anja Kräutler. Diese Vier tauschen sich nach der Filmvorführung über Erinnerungen an Günther Neumann und Eugen Herman-Friede aus.
Im Zuge der Vorbereitung auf die heutige einmalige Gedenkveranstaltung wurde der kühne Gedanke geboren, eine Ausstellung anzuschließen. Dadurch könnten möglichst vielen Menschen über einen längeren Zeitraum das Angebot gemacht werden, sich mit diesem stolzen Kapitel der Stadtgeschichte zu beschäftigen. Dass diese selbst gestellte Herausforderung dann tatsächlich bewältigt wurde, ist ganz besonders vier Persönlichkeiten zu verdanken:
- Heike Rosendahl - Es braucht immer einen Menschen, der aus einem „Man müsste mal“ ein „Ich mach mal“ macht. Das ist in unserem Fall unsere ohnehin hoch engagierte Bibliotheksleiterin. Sie ergriff die Initiative für das Doppelvorhaben Veranstaltung und Ausstellung, nahm die Fäden in die Hand, behielt sie und ließ nicht locker, um Ihnen heute das Ergebnis präsentieren zu können.
- Detlev Riemer, der sich mit der Erforschung der jüdischen Gemeinde in Luckenwalde einen Namen gemacht hat, konnte viel Wissen beisteuern und kümmerte sich um Fotografien und um die Rechte der Verwendung.
- Hartmut Reck kann erfreulicherweise den Historiker und Journalisten in sich nicht verleugnen. Ihm sind die gründlich recherchierten und prägnanten Texte zu verdanken.
- Die vierte im Bunde ist meine Rathauskollegin Annett Gödicke-Klämbt, die die Ausstellungsplakate und den dazu gehörenden Katalog entwarf.
Nun ist es aber Zeit, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, um die es eigentlich geht. Der bereits erwähnte Filmemacher Rolf Hosfeld, der sich vor 26 intensiv mit der Widerstandsgruppe beschäftigt hatte, wird in der Ausstellung mit den Worten zitiert: „Ich war beeindruckt von der funktionierenden Moralität dieser Leute in dieser Stadt.“ Unsere Arbeitsgruppe wünscht sich sehr, dass Sie am Ende der Veranstaltung diese Einschätzung teilen können.